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Kunst im Digitalen – Eine ganze Branche im Wandel. Interview mit Kerstin Gold

Eine neue Studie belegt: Sammler*innen wollen online Kunst kaufen – und tun es schon! Wir haben mit Kerstin Gold, einer der Initiatorinnen des neuen ART + TECH Reports, über die Zukunft der Kunstszene gesprochen.

Das Interview auf einen Blick

  • Die Sammlerschaft verändert sich: Jüngere Generationen fordern mehr Transparenz, ein demokratisches System und achten auf Themen wie Diversität und Unterrepräsentanz von weiblichen und BiPoC-Künstler*innen
  • Kunst wird verstärkt online gekauft. Und dabei nicht nur günstige Editionen. Auch hochpreisige Originale werden im Internet auf Knopfdruck erstanden
  • Die Vorteile des Online-Kunstkaufs sind unter anderem Transparenz, Schnelligkeit, Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit
  • Online-Portale, die zwischen Künstler*in / Galerie und Endkonsument*innen vermitteln, sind hoch im Kurs. Warum? Sie sind oft eine der wenigen Möglichkeiten, Kunst online transparent und mit Preisangabe zu kaufen. Sie bieten viele Informationen auf einen Blick

 

Cleane, weiße Wände, große Fensterflächen, minimalistische, ausgewählte Möbel in der Raummitte davor, dicht gedrängt und mit Champagnergläsern in der Hand, eine große Menge Menschen, die sich einem Bild zugewandt haben und angeregt darüber diskutieren. Eine typische Szenerie einer Vernissage. Kunst sehen, Kunst fühlen, Kunst begreifen. Das geht nur in Museen oder Galerien, wo man die Werke in ihrer ganzen Schönheit betrachten kann. Das behaupten zumindest viele. Doch dass es auch anders gehen muss, nämlich digital, das begreift eine ganze Branche erst jetzt in der Pandemie, wo es anders nicht mehr geht. 

Fast 20 Jahre, nachdem in anderen Branchen wie der Mode oder der Musik die Digitalisierung Einzug gehalten hat, sieht sich die Kunstszene vor einer großen Herausforderung: Wie verkauft man Kunstwerke ohne Kunstmessen, Vernissagen oder die Möglichkeit, zur Galerie seiner*s bevorzugten Künstler*in zu reisen? Na, online! Auch wenn sich so manch alteingesessene*r Galerist*in dagegen wehren mag, der neu erschienene Art + Tech Report 2020 beweist, was wir schon längst wissen: Sammler*innen kaufen Kunst online! Leugnen ist zwecklos.

Der Art + Tech Report, unabhängig durchgeführt von Kerstin Gold, Kristina Leipold, Johanna Neuschäffer und Anne Schwanz, hat 380 internationale Sammler*innen befragt, welche persönlichen Erfahrungen sie 2020 beim Online-Kunstkauf gemacht haben und wie sie zukünftig online Kunst kaufen möchten. Wir haben mit einer der Initiatorinnen, Kerstin Gold, gesprochen. Kerstin Gold ist selbstständige Strategieberaterin im Kunstmarkt. Sie berät Galerien, museale Institutionen, Stiftungen und Start-ups im Kunstbetrieb. Sie war also genau die richtige, um uns unsere Fragen zu beantworten: Warum braucht es sogenannte Third Party Plattformen (wie MEET PABLO), warum ist die Kunstbranche so spät dran mit der Digitalisierung und welche Herausforderungen kommen auf Künstler*innen, Galerist*innen und Sammler*innen in Zukunft zu?

 

Eure Studie ist vor drei Wochen erschienen und hat die Kunstwelt im positiven Sinne geschockt, weil a) zum ersten Mal jemand direkt Sammler*innen befragt hat, was sie eigentlich wollen und sich b) dem Thema Digitalisierung widmet. Was hat dich persönlich denn an den Ergebnissen am meisten überrascht? 

Da wir von Anbeginn an mit Forschungshypothesen gearbeitet haben, gab es im Grunde keine wirklichen Überraschungen, aber es haben sich viele unserer Vermutungen bestätigt. Was uns zum Beispiel sehr gefreut hat, waren die Zahlen bezüglich der weiblichen Sammlerschaft. Die zukünftige Sammlerschaft ist nämlich tendenziell stärker weiblich. 

Was denkst du, woher kommt dieser Wandel und warum gerade jetzt?

Darauf gibt es natürlich nicht eine einzige richtige Antwort. Aber Frauen bewegen sich mittlerweile beruflich selbstverständlicher auch in gut verdienenden Positionen, in denen Kunstkauf vielleicht auch zum Status dazugehört. Zusätzlich spielen Plattformen wie Online-Auktionen oder Instagram – auf denen weibliche Nutzerinnen wesentlich stärker vertreten sind - eine wichtige Rolle. So entwickeln sich neue digitale Kanäle, auf denen es für Frauen ganz selbstverständlich ist, Kunst zu kaufen. Auch für jüngere Personen, die den Einstieg in den Kunstkauf suchen, ist dieser Weg des Kaufens wesentlich einfacher als noch vor einigen Jahren.

Bedeuten mehr Sammlerinnen denn auch mehr Kunst von Frauen?

Ja, man kann davon ausgehen, dass sich dann eine systematische Spirale entwickelt. Man weiß ja, dass Sammlerinnen bei kontemporärer Kunst tendenziell ihre eigene Generation kaufen. Man sagt Millenial Collectors übrigens auch nach, dass sie weniger statusgetrieben oder investmentgetrieben sammeln, sondern ihnen Themen wie Diversität und unterrepräsentierte weibliche Kunst wichtig sind. Das fließt natürlich in die Kaufentscheidung und das Sammlerprofil ein. Das würde bedeuten, dass die Privatsammlungen bei mehr Sammlerinnen auch mehr Künstlerinnen aufweisen. Und das wiederum erhöht die Chance, dass Künstlerinnen verstärkt in Institutionen ausgestellt werden. Und dann beginnt die Spirale, sich zu drehen.

Jüngere Sammler*innen, weiblich, kaufkräftig. Sieht so die Next-Gen-Sammlerschaft aus? Was birgt das für Chancen für die Kunstwelt? 

Die Chance liegt ganz klar darin, dass dann eine andere Form von Transparenz und Demokratisierung gefordert wird. Das ist eine Generation, die viel weniger dafür offen ist, dass für sie eine Vorselektion vorgenommen wird. Ihre Selbstbestimmtheit ist viel größer. Das ist ein ganz anderes Mindset als das der traditionellen Sammler*innen, die man viel stärker physisch verortet hat. Von denen wusste man, sie kommen extra zur Art Basel, man führt dort ein physisches Gespräch und sie kriegen etwas Physisches von der Kunst mit. Die neue Generation ist im Gegensatz dazu bereit, einfach auf den Click-and-Buy-Button zu drücken. 

Und die Risiken?

Ich würde vielleicht nicht von Risiken sprechen, aber die andere Seite der Medaille ist, dass es bei einem Online-Kunst-Kauf sicherlich weniger Mitgestaltung und Mitsprache seitens der Galerien gibt. Dann muss jeder nach den digitalen Regeln und Standards spielen – und beispielsweise auch Retouren anbieten. 50 Jahre musste sich der Kunstmarkt nicht verändern. Das ist länger, als in jeder anderen Kreativbranche. Nun nähern wir uns einem Punkt, an dem sich für die Zukunft geöffnet werden muss. Das ist für viele ein großer Schritt. Und ein Bruch mit Traditionen. 

Apropos Traditionen. Im Moment werden ja immer noch vor allem klassische Medien wie Malerei, Fotografie und Skulpturen gesucht und weniger digitale Kunst. Wird sich das ändern?

Wenn man bisher über den Online-Kunst-Markt gesprochen hat, gab es immer zwei Vorannahmen aus den traditionellen Lagern: Erstens, dass es nur junge Leute wären, die dort kaufen und zweitens, dass sie nur Editionen kaufen. Und alles nur unter 1000 Euro. Dem ist allerdings gar nicht so. Dass Malerei gekauft wird, zeigt, dass wir im Geschäft mit Originalen sind. Sensationell! Leute kaufen also Originale, die sie vorher physisch nicht gesehen haben. Das ist doch ein enormes Statement und zeigt, wohin es gehen kann. 

Es steht aber überhaupt nicht im Gegensatz dazu, dass in naher Zukunft digitale Kunst ebenfalls mehr Raum bekommen wird. Auch, weil durch die NFT-Entwicklung etwas geschaffen wurde, was lange ein Nachteil für digitale Kunst war: Sie war schwer in den Markt einzuführen, weil man sie erst originär machen musste, um sie kaufen und verkaufen zu können. Jetzt werden Wege gefunden, wie man digitale Kunst nur eine*m Eigentümer*in zuordnen kann und das macht sie erstmalig handelbar. So kann sie nun Einzug halten in den Kunstmarkt und wird dort aller Wahrscheinlichkeit nach irgendwann den gleichen Regeln, Gesetz-  (und Ungesetz-)mäßigkeiten folgen.

Einige Menschen sind der Meinung, dass Kunst online weniger Wirkung entfaltet. Wie siehst du das?

Ich habe auch zwei Herzen in mir. Ich glaube an die Aura des Originals und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht denke, dass es mal wieder schön wäre, sich physisch vor ein Kunstwerk zu stellen. Trotzdem glaube ich, dass man akzeptieren muß, dass nicht alle Sammler*innen dieses Vor-Ort-Erlebnis unbedingt für einen Kauf brauchen. Das Kunstwerk wird dir immer etwas bedeuten, wenn du dich dafür entschieden hast. Klar, es entfällt vielleicht das soziale Event, aber ich glaube nicht, dass der Onlinekauf etwas weniger wert macht. 

Was gibt es denn für Vorteile beim Onlinekauf?

Viele Menschen sagen, persönliche Kommentare und die Geschichte zum Werk seien entscheidend für den physischen Kauf. Wenn man Sammler*innen ihre Sammlung zeigen lässt, sagen sie selten: „Das ist Künstler XY“, sondern erzählen oft, wo und wann sie das Werk gekauft haben. Am Ende wird mit den Werken eine Geschichte assoziiert. Ich betone das, weil ich glaube, dass das genauso gut ins Digitale übertragen werden kann. Online bedeutet nicht automatisch den Verzicht auf Kommunikation und eine persönliche Geschichte.

Wenn wir über Kunstkauf sprechen, geht dem ja auch ein intensiver Suchprozess voraus. Das kann online eine unglaubliche Arbeitsvereinfachung darstellen. 16 Galerien abzuklappern oder zwei Tage auf der Art Basel herumzuspazieren, hat seine Reize. Aber diese Suche ins Internet zu verlegen, hat durchaus auch Vorteile: Schnelligkeit, Transparenz, Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit. 

In eurer Studie gaben 57 Prozent der Sammler*innen an, dass Third Party Platforms für sie die wichtigste Informationsquelle im Kunstbereich sind. Was sind sogenannte Third Party Platforms überhaupt?

Das sind Vermittlungsplattformen, die Künstler und Galerien auf der einen und Sammler*innen auf der anderen Seite zusammenbringen.

Des Weiteren haben wir im Report festgestellt, dass die Leute kompromisslos fordern, dass Preise angezeigt werden. Wir haben abgefragt, wo am Ende Direktkäufe erfolgen und völlig unüberraschend waren am Ende die Third Party Plattformen extrem weit vorne. Sie sind das einzige Sales-Format, dass die Preise seit jeher angezeigt hat. Sie stellen alle Informationen zur Verfügung, ohne, dass ich nachfragen muss. Und sie bieten als einige der wenigen die Möglichkeit, direkt zu kaufen. Das macht sie per se zu einer sehr begehrten Plattform. Die Stärke liegt darin, zu wissen, was man sucht. 

Und wenn man gar nicht weiß, was man sucht?

Da zitiere ich gerne Meet Pablo bzw. Pablo Picasso: „Das Geheimnis der Kunst liegt darin, dass man sie nicht sucht, sondern findet.“

Bei Kunst sucht man oft doch nicht aktiv, sondern man stolpert über eine Zufallsentdeckung, in den man sich verliebt. Und das kann in einer Galerie, auf einer Messe oder eben auch online geschehen.

Was hat es für Vorteile für Künstler*innen auf Plattformen vertreten zu sein?

Der Aufbau von Künstler*innen-Karrieren durch Galerist*innen hat seine Berechtigung und seine Schubkraft. Aber wenn wir davon ausgehen, dass es weitaus mehr Künstler*innen als Galerien gibt und Künstler*innen gerade in den letzten Jahren kaum noch die Möglichkeit haben, in ein Galerieverhältnis zu treten, ist das eine riesige Chance, sich trotzdem ins Geschäft zu bringen und selbstbestimmter zu sein. Weniger darauf hoffen, dass ihnen etwas passiert, sondern aktiv mithelfen zu können, dass sie sichtbar sind. 

Der große Vorteil ist natürlich auch, dass ich, ohne dass ich gewertet werde, als Kund*in Kunst kaufen kann. Der skeptische Blick der*s Galerist*in bleibt aus …

Ja, es ist eine interessante Tatsache, dass die Verkäuferseite sich lange nicht mit der Konsumentenperspektive beschäftigt hat. Nicht, weil sie in anderen Sphären leben, sondern weil sich der Kunstmarkt ganz lange überlegen konnte: An wen verkaufe ich? Und noch viel wichtiger: An wen nicht? Wem sage ich, dass ich ein neues Werk von ABC habe? Das gehört ein bisschen mit zum Spiel. Der Kunstmarkt konnte lange so arbeiten, aber langsam kommt der Punkt, an dem dies nicht mehr der Zeit entspricht.

Also ist eine Generalüberholung des Kunstmarkts hin zur Demokratisierung fällig?

Ich sehe natürlich als Betriebswirtin und Strategin ganz oft Punkte, an denen ich denke: „Wahnsinn, dass sich das so lange halten konnte.“ Aber der Markt ist so, wie er ist aus Gründen, die lange so sein durften, wie sie waren. Trotzdem muss man sich die Frage stellen: Wie sieht der Schritt Richtung Zukunft aus? Da braucht es einfach Veränderung, auch, wenn das nicht für jeden leicht ist. 

Wir sind gespannt! 

Ich auch! Es ist nicht so, als ob wir genau wüssten, wo es hingeht! Genau das macht dieses Momentum ja so spannend. Es ist eine aufregende Zeit, mit viel Raum für Gestaltung. 


Danke für das ausführliche, sehr interessante Interview, liebe Kerstin! 

 

ART + TECH Report:  https://www.arttechreport.com/

Foto: Anna Wasilewski

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