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Die Suche nach dem Ursprung der Skulptur

Kunstgießerei Schmäke. Hier treffe ich Claudia Mann, Preisträgerin des Förderpreises für Bildende Kunst der Stadt Düsseldorf. Ihr Bronzeguss Solid Aero befindet sich in der letzten Phase der Fertigstellung.

Ein ungewöhnlicher Treffpunkt für einen Atelierbesuch insofern, als dass in diesem Stadium die Arbeit des Künstlers doch eigentlich weitestgehend abgeschlossen ist. Nicht so bei Claudia Mann...

Ich fahre auf den Hof und werde Zeuge des Patinierungsprozesses einer Skulptur von Markus Lüpertz. Gemeinsam mit Claudia Mann beobachte ich den Vorgang und bin überrascht, in welcher Geschwindigkeit die Bronze durch das chemische Verfahren ihre Farbe wechselt. „Ich wollte mir das unbedingt anschauen, weil ich noch Optionen sammle und für mich klären will wie weit es möglich ist, die reine Gusshaut stehen zu lassen“, erzählt sie mir und schon sind wir mitten im Thema. „Bei meiner Arbeit ist es von elementarer Bedeutung, dass ich den gesamten Entstehungsprozess selbst entscheide. Dazu gehören dann entsprechend auch die einzelnen Arbeitsschritte innerhalb des Gussverfahrens. Ich dachte, dass es deshalb sinnvoll ist, sich zunächst hier zu treffen, bevor wir dann anschließend zu meinem Hauptatelier fahren.“ 

Eine tolle Idee! Ich fühle mich wie bei der Sendung mit der Maus …

Vorab sei erklärt, dass die Künstlerin mit ihren Arbeiten den Ursprung der Skulptur zu erkunden sucht und dabei hinterfragt, inwiefern der Mensch der Autor oder nur ein Bezugspunkt für die Skulptur ist. Was komplexe Theorien befürchten lässt – die es natürlich nicht nur zahlreich gibt, sondern von Claudia Mann auch intensiv studiert werden –, findet in ihren Arbeiten ein breites Spektrum an praktischer Auseinandersetzung. Solid aero ist hierfür ein Paradebeispiel, wie ich gleich erklärt und zu sehen bekommen werde.

Wir durchwandern die einzelnen Arbeitsschritte des sogenannten Wachsausschmelzverfahrens. Hierbei heißt es, das Positiv des zu gießenden Modells zunächst in Wachs zu transformieren, um es dann – ummantelt in einer Verschalung mit flüssigem Schamott – zu erhitzen. Durch das Schmelzen des Wachses entsteht ein Hohlraum, in den letztlich die Bronze gegossen werden kann. Klingt kompliziert und das ist es auch, wie ich nun sehe. Mit der Umwandlung in Wachs heißt es für Claudia Mann schon die erste Entscheidung zu treffen, auf welche Art und Weise der Prozess des Gussverfahrens unterwandert werden könnte. Üblicherweise muss für das Wachsmodell zunächst eine 1:1-Negativ-Abformung des Positiv-Modells gefertigt werden. „Diese 1:1-Umwandlung will ich aber nicht. Um jeden Schritt dieses Prozesses im wahrsten Sinne des Wortes erfassen zu können, forme ich nicht das Modell, sondern die Abformung ab.“ Sie zeigt mir eine Sandrose, die hier das Positiv bestimmt und stellt ihre Abformungen zum Vergleich daneben. Die Veränderungen sind deutlich sichtbar. 

Bei Solid Aero ist aber die Wachsabformung das Original und deshalb die Positivform. Eigens zur Erzeugung dieser Skulptur hat sie ein Erdloch gegraben, das ihrem Körpermaß entspricht – „begrenzt auf den kleinsten, aber tiefsten von mir benötigten Raum. Dieses modellierte Loch habe ich dann mit Wachs abgeformt. Hierbei war mir wahnsinnig wichtig, dass Spuren der Erdschicht, wie Sand, Gras oder Steine, im Wachs enthalten und auch später im Guss sichtbar eingeschlossen blieben.“ Sie zeigt Fotos. Unfassbar. Was für ein Kraftakt! Sie könne ganz gut mit ihrem Körper umgehen, erklärt sie lachend in Reaktion auf meinen ungläubigen Blick. „Der nächste Schritt, den es zu entscheiden galt, war die Frage, wo ich die Trennungen des Wachses vornehmen soll, um einen Transport in die Gießerei zu ermöglichen.“ 

Ich halte bis zu dieser Stelle fest: Es handelt sich nicht um eine klassische bildhauerische Arbeit, die im Atelier, sondern in der Natur ihren Ursprung genommen hat. Es wurde keine freie Form, sondern Natur aus dem Bezugsrahmen eines Körpermaßes modelliert und abgeformt. In der Konsequenz heißt das, dass diesem Wachs-Positiv kein Modell zugrunde liegt. Es sind die Unikate, die eingeschmolzen werden und deshalb nicht reproduziert werden können. Eine Herausforderung für diejenigen, die in der Gießerei das Gerüst für die Zuläufe konstruieren müssen, durch die später gegossen werden soll. Dieser Arbeitsschritt wird von Claudia Mann zwar aus der Hand gegeben aber von ihr kontrolliert. 

Jeder Mitarbeiter der Gießerei kennt und schätzt die Künstlerin, wie man am Umgang miteinander erkennen kann. Deshalb dürfen wir auch überall hin. Wir schauen uns die Öfen an und dann den Bereich, in dem die gegossenen Bronzen nachbearbeitet werden. 

Eine weitere knifflige Angelegenheit. Hier werden die Zuläufe entfernt, getrennte Elemente miteinander verschweißt, Schweißnähte entfernt und letztlich die Oberfläche nach Vorgabe des Künstlers behandelt. Auch dabei legt die Künstlerin, wenn es Größe und Gewicht irgendwie zulassen, wieder selbst Hand an. Die Dimensionen von Solid Aerowerden Hilfe erfordert haben, doch die Bearbeitung der Schweißnaht erfolgte ebenso durch sie, wie die Farbgebung, die sie gerade noch minutiös austüftelt. Staunend stehe ich vor dieser gigantisch großen, archaisch anmutenden Form. Dass diese Skulptur mit Natur zu tun hat, lassen Form, Oberfläche und Farbe auf den ersten Blick erkennen. Nähern wir uns doch nun der Frage, inwiefern diese Arbeit dem Ursprung von Skulptur auf den Grund geht?

„Meine Suche nach dem Ursprung setzt bei Fragen nach der Definition von Skulptur an. Was macht sie eigentlich aus oder was steht mit ihrer Existenz im Zusammenhang? Antworten finden sich vor allem über die Auseinandersetzung mit Raum, Materie, Luft, Licht, Boden und Gravitation. Immer stärker wurde oder werden mir die Komplexität und Dimensionen der gegenseitigen Abhängigkeiten und Einflüsse bewusst: dass Skulptur Raum einnimmt und gleichzeitig verdrängt, dass Licht sie erst für uns sichtbar macht, dass Boden und Gravitation ihr Halt geben, dass Gravitation wiederum in Abhängigkeit zur Atmosphäre steht. Auf meiner weiteren Suche auf der Frage basierend, wo oder was der Anfang ist, gewann dann die Auseinandersetzung mit dem Boden eine immer größere Bedeutung. Ich hatte immer kniend vom Boden aus begonnen zu arbeiten und eine Form entsprechend nach oben gebracht. Irgendwann hinterfragte ich dann immer stärker den Boden in seinem philosophischen und physischen Sinn, bis er dann für mich nicht mehr nur der Startpunkt, sondern selbst Skulptur wurde. Diese Erkenntnis trieb mich an und ließ die Notwendigkeit entstehen, den Boden zu durchbrechen, um ihn als Skulptur wahrnehmen zu können.“ 

„Womit nun du als Autorin der Skulptur ins Spiel kommst. Inwiefern war dein Körpermaß mit ausgestreckten Armen formbestimmend? War das berühmte Vitruvianische Modell – der Mensch als Dreieck im Kreis – Vorbild?“ „Dreieck und Kreis symbolisieren für mich die logischen Urformen. Zum einen stellt das Dreieck die simpelste Form der Standfestigkeit dar, zum anderen wird hiermit die Form nachgezeichnet, die sich im Querschnitt vom Erdmittelpunkt bis zur Erdoberfläche – dem Boden – ergibt. Der Kreis symbolisiert entsprechend den Erdumfang; der Mensch im Kreis die Bewegung um die eigene Achse. Mein Körpermaß war insofern wichtig, als dass ich mich über den Prozess des Grabens bis hin zu diesem Maß sukzessive auf einer emotionalen Ebene mit der Erde verbunden, von ihr Besitz ergriffen habe. Für die Skulptur Solid Aero spiele ich keine Rolle mehr. Hierfür war ich lediglich Maßwerkzeug, ein menschlicher Bezugspunkt.“   

Wir wechseln den Standort und fahren nach Korschenbroich in ihr Hauptatelier. Weitere großformatige Skulpturen sind hier zu sehen, ebenso aber auch fotografische Arbeiten, Frottagen und Dokumentationen von Performances. Im Prozess befindet sich gerade die Abformung ihres Atelierbodens. Also wieder Boden, aber diesmal ebenerdig. 

„Was hat es damit auf sich?“ „Ich bin noch nicht so lange in diesem Atelier. Letztlich war es auch bei dieser Abformung für mich entscheidend, den Raum für mich be-greifbar zu machen und einen emotionalen Zugang zu finden. Innerhalb dieses Prozesses wurde mir dann auf eine sehr poetische Weise bewusst, dass diese Abformung nicht datierbar ist. Dieser Boden ist über eine unbestimmte Zeit vor mir entstanden und wird meine Existenz auf eine unbestimmte Zeit überdauern.“ 

Was sich nicht nur auf alle ihre Arbeiten übertragen lässt, die unter Einbeziehung biologischer Prozesse entstanden sind, sondern auch auf die menschliche Existenz als solche, denke ich nun. Ist der Mensch dann nur Bezugspunkt oder Autor von Skulptur? Fakt ist, dass die Arbeiten von Claudia Mann auf eindrucksvolle Art und Weise erkennen lassen, dass die Frage nach dem Ursprung der Skulptur nur im Bezug zur menschlichen Existenz versucht werden kann beantwortet zu werden. Am Beispiel von Solid Aero wurde deutlich, dass der Erdaushub in Masse und Volumen in absoluter Relation zur Künstlerin stand und sie deshalb für die Form und Größe dieser Skulptur von entscheidender Bedeutung war. Doch ihre Aussage, dass für sie der performative Akt – die stetige Verbindung mit der Erde – im Vordergrund steht und sie deshalb für die Skulptur lediglich als Maßwerkzeug oder im Fall der Bodenabformung als Zeitparameter agiert, lässt ihre Autorenschaft in den Hintergrund treten. „Je länger ich daran arbeite, desto kleiner werde ich“, beschreibt sie diesen Prozess. 

Der Versuch Antworten auf Fragen nach dem Ursprung der Skulptur zu finden, steht plötzlich im Verhältnis zu Fragen nach der eigenen Verortung in Raum und Zeit. Die eigene Verortung innerhalb des uns umgebenden Raums, der Materie, der Luft, des Lichts, auf dem Boden. Die Komponenten, die eben im Zusammenhang von Skulptur aufgezeigt wurden, verweisen unschwer auf die Grundlagen menschlicher Existenz … Ist der Ursprung von Skulptur dann vielleicht schon innerhalb dieser Interaktionen zu finden? 

 

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